Lizenzprobleme?

L I V E Stammtisch ab 20:30 Uhr im Chat
  • Hallo liebe Gemeinde,

    Ich bin vor kurzem auf eine Idee gekommen die sich potentiell gut vermarkten lässt und ich diese auch potentiell umsetzen könnte.

    Mich quälen nur einige Dinge:

    Natürlich benötige ich eine Hardware-Plattform, welche man ja eigentlich selbst Designen müsste. Prinzipiell auch nicht so das Problem, sondern eher extrem Zeit- und Kostenaufwendig.
    Jetzt habe ich soeben aber den Raspberry Pi A+ gesehen. Dieser ist tatsächlich genau das was ich benötige: Kein Anschluss zu viel, kein Anschluss zu wenig, Rechenleistung ist optimal!
    Jetzt stellt sich mir nunmal die Frage, ob ich diesen überhaupt in mein Produkt verbauen darf?
    Und vor allem: Dann müsste ich ja auch auf die Erweiterungen des Boads verwenden (bsw. Kamera oder Display usw.)
    Darf ich das?

    Und zum anderen ist da noch, dass ich definitiv einen Apache drauf laufen lassen muss (wegen des Konfig-Wizards).
    Genau so verhält es sich mit einem Browser, vorzugsweise Chromium.

    Darf ich diese Hard- und Software in meinem Produkt "verwursten"?

    Ich würde nichts an der Bauweise (Pi a+) oder an dem Code (Software) verändern. Ich glaube das spielt eine recht große Rolle.

    Hat da jemand Erfahrungen/Wissen dass er gerne teilen würde? :)

    LG
    Dimmi

  • Da hast du natürlich recht!
    Dann kommt aber eine neu Frage auf: In wiefern muss ich darauf hinweisen dass ein Pi A+, Apache Server etc. verbaut/verwendet habe?
    Reicht ein vermerk in der AGB, oder sogar eine Textdatei irgendwo in der Dateistruktur meines Systems?

    Auf jeden Fall schon mal Danke für deine Antwort!

  • Naja ... es sollte kein Problem sein, wenn Du ein vorgefertigtes/vorinstalliertes System anbietest.
    Machen afaik auch andere, dass sie z.B. einen RPi mit installiertem Openelec (oder wie auch immer dieses Zeugs mittlerweile heisst) als Multimedia-Plattform vertreiben.
    Ist halt dann die Frage, inwieweit der Mehrwert über die SD-Karte mit vorinstalliertem OS hinausgeht und sich einpreisen lässt.
    cu,
    -ds-

  • Dann kommt aber eine neu Frage auf: In wiefern muss ich darauf hinweisen dass ein Pi A+, Apache Server etc. verbaut/verwendet habe?
    Reicht ein vermerk in der AGB, oder sogar eine Textdatei irgendwo in der Dateistruktur meines Systems?

    Was den Pi angeht weiß ich es nicht, bzgl der verwendeten Software musst Du im Grunde gucken, was die jeweiligen Lizenzen (und zwar alle Lizenzen von Softwarekomponenten, die bei Auslieferung auf dem Produkt enthalten wären - also auch solche, die vielleicht gar nicht genutzt werden.) die vorschreiben. Häufig ist es so, dass Du bei OpenSource sogar Anpassungen machen darfst, diese aber nur zu den gleichen Bedingungen auch wieder öffentlich zur Verfügung stellen musst. Ist ja auch fair, schließlich profitiert man ja auch von der bereits darin steckenden Arbeit anderer.

    Beides wird aber viel gemacht: Zerlegt man mal eine Maus die von Dell mitgeliefert und entsprechend gelabelt wurde, finden sich beispielsweise oft Logitech-Logos auf den Platinen. Ich bin mir jetzt nihct bewusst, dass das seitens Dell irgendwo groß publik gemacht würde, wobei es da vielleicht auch auf Verträge ankommt. Weitere Beispiele finden sich zuhauf in der Automobilindustrie, die natürlich Reifen von irgendwem nutzen oder auch Radios, Navigationssysteme. Displays und weiß der Teufel was noch alles, was auch nur eingekauft wird.

    Softwaremäßig sind typische Vertreter DSL-Router, die nicht selten mit busybox oder ähnlichen freien Systemen als Basis daherkommen und dann meist noch mit Herstellereigenen Geschichten, die ich frei sind, angereichert werden.


    Letztlich ist die Frage die:
    Zielt Deine Frage darauf ab, was Du alles beachten müsstest, oder geht es darum, wie Du sicherstellen könntest, dass nicht jeder Deine Idee nachbaut (was ja durchaus auch legitim ist - bitte nicht falsch verstehen!)?

    Wäre denn das Produkt später ein Offline-Gerät, oder gäbe es ohnehin die Notwendigkeit es mit dem Internet verbunden zu haben? Je nachdem könnte man sich ja auch andere Optionen vorstellen (Hardwaredongle, irgendein Lizenz-Aktivierungsgedöns, ...), wenn es um den Schutz der Idee und des Investments geht.


    Davon mal abgesehen, muss man für den späteren Vertrieb vom Produkt auch beachten, dass man sich neben den lizenzrechtlichen Aspekten plötzlich auch mit so Dingen wie Produkthaftung, Gewährleistung und Einhaltung von irgendwelchen Vorschriften beschäftigen muss. Ich hatte mal kurz überlegt, ob man mit 'nem Pi als Basis IP-schaltbare Steckdosenleisten für's Rechenzentrum bauen könnte. Technisch gar kein Problem, aber mit den anderen Apsekten im Kopf hatte ich dann schnell die Einsicht, dass es doch schöner ist, wenn andere für das ggf. abgefackelte RZ herhalten müssen ;) Hier kommt es aber natürlich auch darauf an, in welchem Umfeld man tätig ist, ob es in der Richtung schon Erfahrungen, Versicherungen etc. pp. gibt.


    Nur mal so meine lockeren Ideen dazu
    Gruß
    JC

    --
    "I know the human being and fish can coexist peacefully."
    G. W. Bush, 29. September 2000

  • Wow, danke für die ausführliche Antwort!
    Also in erster Linie geht es mir darum, dass ich mich nicht strafbar mache.
    Bezüglich des nachbauens habe ich keine Sorgen, im Gegenteil, ich spiele sogar mit dem Gedanken zum nachbauen anzuregen, das heißt dass ich alles offenlegen will, naja, bis auf mein Betriebssystem. Dafür aber mit Workarounds wie man es auch bsw mit Raspbian realisieren kann.

    Konkret: Ich möchte nicht verknackt werden :D

    Ich denke ich werde mal der Organisation hinter dem Raspberry Pi kontaktieren und nachfragen um auf Nummer sicher zu gehen und etwas schriftlich zu haben.

    Das Produkt wäre wahlweise online oder offline (bzw im lokalen Netz), je nachdem ob man selbst einen Server betreiben möchte.

    Einmal editiert, zuletzt von Dimmi52 (13. April 2016 um 09:14)

  • Ohne behaupten zu wollen ich wüsste von ich rede...

    Ein nicht unerheblicher Teil der Software steht unter der GPL. Das bedeutet du darfst so gut wie alles mit der Software machen (verändern, verteilen, verschenken, verkaufen), aber du musst, wenn du etwas veränderst, (siehe EDIT) das ganze wieder im Quellcode verfügbar machen und ebenfalls wieder unter der GPL veröffentlichen. Genau das

    Zitat von Dimmi52


    […] das heißt dass ich alles offenlegen will, naja, bis auf mein Betriebssystem.
    […]


    könnte also, je nachdem wie du es meinst, ein Problem sein.

    Ein Teil der Software steht unter anderen Lizenzen, so verwendet Apache seine eigene Lizenz und Teile davon stehen unter der BSD-Lizenz. was die Sache etwas unübersichtlicher macht:
    Die Apache-Lizenz ist afaik kompatibel zur aktuellen GPL, dh du darfst soweit ich das sehe das ganze so behandeln als stünde es unter der GPL. Der größte Unterschied der BSD-Linzenz ist, dass diese nicht fordert, dass du den Quelltext deiner angepasster Version veröffentlichst - die kompilierten Teile müssen aber noch wie vor unter der BSD-Lizenz stehen.

    Übersichtlicher wird das ganze dadurch, dass Debian im Kern nur Software enthält, die den DFSG (Debian Free Software Guidelines) entspricht:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Debian_Fr…ware_Guidelines

    Davon ausgenommen ist das was bei debian in non-free liegt, das ist unfreie Software, die meist gar nicht im Quelltext vorliegt und die nur aus Bequemlichkeitsgründen zusätzlich zum freien Kern von Debian zur Verfügung gestellt wird. Darunter fallen vor allem ein paar Treiber und Firmwaredateien.
    (Hier auf der sicheren Seite zu sein ist vielleicht das lästigste - immerhin dürfte gerade hier raspbian Software ausliefern, die man im offiziellen Debian vergeblich sucht — ich glaube der standardmäßig verwendete Grafiktreiber ist ja zumindest zum Teil noch keine freie Software? auch wenn Abhilfe in Sicht ist?)

    Bei allem was in Debian ist, kannst du die Lizenz sehr einfach herausfinden: in »/usr/share/doc/[PAKETNAME]/copyright« sollte eine Liste der jeweils verwendeten Lizenzen zu finden sein und was die freie Software angeht: Du wirst bestimmt zuerst einmal einigermaßen freundlich kontaktiert, vor allem wenn du augenscheinlich nur unabsichtlich gegen irgendetwas verstößt.

    ____

    Grundsätzlich würde ich sowieso keine Probleme erwarten. So gibt es zB eine Firma, die einen Vorverstärker verkauft der (optional?) einen Raspberry Pi enthält
    http://www.abacus-electronics.com/146-0-Preamp+14.html
    Soweit ich das sehe wurde da kein Quellcode verändert sondern es ist nur eine vorkonfigurierte Zusammenstellung von (nur oder zumindest überwiegend freier) Software und sie bieten ihr Betriebssystem/Image dementsprechend nirgends im Quellcode an (habe zumindest nichts gefunden). (Das ist vielleicht ein schlechtes Beispiel: Wenn die den Quellcode weder mitliefern noch anders anbieten, verstossen die eventuell tatsächlich gegen die GPL…)


    EDIT:
    Das mit der Pflicht zur Verfügung stellen des Quellcodes habe ich nicht richtig wiedergegeben. Du musst entweder den Quellcode gemeinsam mit deinem fertigen Produkt ausliefern oder zumindest ein schriftliches Angebot den Quellcode nachzuliefern. Es sieht allerdings so aus als würden die sehr viele, wenn nicht gar die meisten, diesen Punkt (ungestraft) ignorieren, solange sie den Quelltext nicht verändert haben.

    Die unfreien raspbian-spezifische Firmware scheint übrigens kein großes Problem zu sein, weil die Bedingungen zur Weitergabe recht vernünftig sein sollen (gefunden habe ich sie auf die Schnelle allerdings nicht).
    Anders sieht es mit weiterer unfreier Software aus, die in raspbian zur Verfügung steht und an die ich nicht gedacht habe, wie zB mathematica, aber auf so etwas kann man in den meisten Fällen ja verzichten...

    EDIT Nummer 2:
    Über die Anpassung und Weitergabe von Debian https://www.debian.org/doc/manuals/de…distrib.de.html

    Einmal editiert, zuletzt von smutbert (13. April 2016 um 11:04)

  • Auf dem PI würde ich, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, nicht den Apache einsetzten.
    Das ist wie mit einer Kanone auf Spatzen zu schießen.

    Nimm einen kleinen, einfachen Webserver (mit passender Lizenz ;)
    "lighttpd" wäre zum Beispiel einer.

    besonders, wenn es 'nur' um die Konfiguration des Systems geht.

    Computer ..... grrrrrr

    Einmal editiert, zuletzt von Rasp-Berlin (13. April 2016 um 12:25)

  • smutbert
    vielen vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort!
    Das bringt mich deutlich weiter!

    Rasp-Berlin
    Auch dir danke für den Tipp!
    Das werde ich definitiv in meine Planung mit einfließen lassen :)

    Über weitere Hinweise, würde ich mich weiterhin freuen :)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!